Der junge Mann ist als Zivilist in Anzug und Krawatte gekleidet, er blickt die ihn Betrachtenden unmittelbar an. Sein Gesicht trägt markante, beinahe verhärmte Züge. Rote, aggressive Flammen lodern aus den Augen. Der ebenfalls rote, leicht geöffnete Mund und das nach vorne geschobene energische Kinn verraten seine große Anspannung.
Die ungewöhnliche Komposition unterstreicht die aufgeladene Atmosphäre, die aus dem Bild spricht. Dix positioniert den männlichen Kopf oben links auf der Leinwand. Die auffällige horizontal verlaufende Schulterlinie teilt die Bildfläche nach dem Goldenen Schnitt. Der weitere Bildaufbau wird von Diagonalen bestimmt, die, in paralleler Anordnung von links unten nach rechts oben geführt, die Fläche strukturieren. Alle Bildelemente – die Krawatte, die Flammen, die angespannte Stirn sowie die Häuser auf der rechten Seite – folgen diesem Schema.
Dix befasst sich zu diesem Zeitpunkt mit den avantgardistischen Tendenzen der Malerei. So fließen die Formzerteilung des Kubismus, die dynamische Linienführung des italienischen Futurismus und die ausdrucksstarke Farbigkeit des Expressionismus in die Komposition ein. Dix gelingt es damit auf eindrückliche Weise, das Bildnis eines von Krieg und Existenzängsten gehetzten Mannes zu zeichnen.
Der Maler kennt die Schrecken seiner Zeit: Zu Beginn des Jahres 1919 kehrt er nach vier langen Kriegsjahren nach Dresden zurück, um seine Ausbildung an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste wieder aufzunehmen. Während seiner Zeit als Soldat hat er die vielen Eindrücke in Zeichnungen und Feldpostkarten festgehalten. 1919 spielt der Krieg als Motiv in seinen Werken zunächst keine Rolle. Dix konzentriert sich ganz auf die Malerei und andere Themen. Die psychische wie auch künstlerische Aufarbeitung der Erlebnisse beginnt erst in den frühen 1920er-Jahren. Das Gemälde »Männerkopf« entsteht genau in dieser Zwischenphase.
Werkdaten
- Inventarnummer: O-2498
- Material / Technik: Öl auf Leinwand
- Creditline: Kunstmuseum Stuttgart
Provenienz
1919–o.D. Otto Dix; Provenienzlücke; 1970–1971, um 6.7. Hans Brockstedt, Galerie für moderne Kunst; 1971, um 6.7.–1982 Heinz Friederichs; 1982–1982, 7. Juli Kunsthandel Dr. Ewald Rathke; 1982, 7. Juli Kunstmuseum (früher Städtische Galerie)