Sie haben etwas Kalligrafisches, die beiden Schwünge in schwarzer Ölfarbe, die am oberen und unteren Rand der weißen Leinwand schweben. Dazwischen reihen sich kleinere amöbenhafte Bögen: Länger, kürzer, schlanker, kräftiger, seitlich, mittig bringen sie rot, blau, beige und transparent fröhliche Dynamik ins malerische Spiel. »Tori« ist die Szene übertitelt, die wie ein Blick durch Türschwelle und –balken anmutet. In der Tat spielt Willi Baumeister sprachlich auf die »Torij« an, wie in Japan die Eingangstore zu Garten- und Tempelanlagen bezeichnet werden. Das Werk gehört zur Serie aus Ideogrammen und Zeichen, in der er tektonische Formen in der Waagerechten oszillieren lässt. Der Künstler kreiert diese – von ostasiatischer Kunst inspiriert – zwischen 1937 bis 1938. Einer Zeit, in der Baumeister seine Professur an der Frankfurter Städelschule verloren, er Arbeitsverbot hat und die Nazis seine Kunst als »entartet« diffamieren. Und doch zeigt »Tori«, wie konsequent er die Bezüge zur menschlichen Figur weiter reduziert hin zu einem freien Spiel der Farben und Flächen: Er ist auf dem Weg, einer der international renommierten, führenden Vertreter einer puren Abstraktion zu werden.
Werkdaten
- Inventarnummer: BB-0781
- Material / Technik: Öl auf Leinwand
- Creditline: Archiv Baumeister im Kunstmuseum Stuttgart