Wärter im Bärenkäfig

Größe103 x 85 cm

»Wärter im Bärenkäfig« zeigt von einem etwas höher gelegenen Betrachtungsstandpunkt einen Tierwärter in dem gleichen Bärenzwinger, den Hermann Pleuer schon ein Jahr zuvor im Gemälde »Bärenkäfig« (1887, Inv.-Nr. O-1149) dargestellt hat. Ein Tierpfleger betritt durch ein geöffnetes Gitter den Innenraum des Zwingers. Der Bär schaut ihm dabei aus dem Graben zu.
Wie schon im ersten Bild Pleuers bestimmen massive Gitter, nackte Wände sowie ein Betonboden die Ansicht. Erneut wird die trostlose Atmosphäre von im Vordergrund liegenden Tierknochen unterstrichen.
Höchstwahrscheinlich ist der Bärengraben von Nills Tiergarten, dem privaten Zoo in Stuttgart, dargestellt. Er wurde 1871 gegründet und hatte zu Beginn einen Bärengraben, einen Affenkäfig, einen Hirschpark und Teiche. Bären wurden in der Regel in kleinen leeren Zwingern gehalten, weil diese leicht zu reinigen waren und die kräftigen und neugierigen Raubtiere nichts kaputt machen konnten. Die nicht artgerechte Haltung führte jedoch zu krankhaften Verhaltensweisen wie Hospitalismus und Selbstverletzungen.
Mit dem Aufstieg der Zoologischen Gärten zu beliebten städtischen Ausflugszielen im 19. Jahrhundert und dem Bedeutungszuwachs des wilden Tiers wurde auch der Zoo zu einem Motiv in der Kunst.
Üblicherweise nahmen die Künstler bei Zoo-Motiven die Perspektive der Menschen »vor« den Gehegen ein. Innenansichten, aus den Käfigen heraus, sind dagegen selten. Das macht die Besonderheit von Pleuers Bild aus. Es weckt Assoziationen an ein Leben im Gefängnis, an den Verlust von Natur und Freiheit. Es scheint keineswegs ausgemacht, ob der Tierwärter freier ist als das in Gefangenschaft gehaltene Tier. Denn die städtische Zivilisation kann selbst als »human zoo« betrachtet werden, in dem der Mensch gefangen ist. Deshalb lässt sich Pleuers Gemälde auch als Verweis auf die Unwirtlichkeit der Städte lesen.
Zusammen mit der zweiten Darstellung – »Bärenkäfig« (1887, Inv.-Nr. O-1149) – bildet »Wärter im Bärenkäfig« eine Art Bilderpaar. Im Zusammenspiel ergibt es eine Erzählung vom Alltag im Zoo. Pleuers Zoo-Bilder sind dafür ein Beispiel. Der Gegenstand ist modern und der Realismus ungewöhnlich. Ungeschönt wird die Sterilität, Ödnis und Lebensfeindlichkeit der damaligen Käfighaltung eingefangen.
Um 1900 ein bedeutender impressionistischer Maler in Deutschland, erweist sich Pleuer in dem Ende der 1880er-Jahre entstandenen Bild als ein Künstler, der noch dem Naturalismus nahesteht.

Werkdaten
Inventarnummer: O-1149
Material / Technik: Öl auf Leinwand
Creditline: Kunstmuseum Stuttgart
Provenienz

1888–? Hermann Pleuer; o.D.–mind. 1911 Dir. a. D. Otto von Bockshammer; vielleicht Provenienzlücke ; o.D.–vielleicht 1920-23 Kunstmaler Molfenter, München; vielleicht 1920-23–1953 Lucie Schmückle, Stötten am Auerberg; Sept. 1953–heute Städtische Galerie (Kunstmuseum Stuttgart)

Lizenzhinweis
© Kunstmuseum Stuttgart / Foto: Frank Kleinbach
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