Geschichte
Die Geschichte des Kunstmuseums Stuttgart ist eng verknüpft mit der Geschichte der Kunstsammlung der Stadt Stuttgart. Den Namen »Museum« trägt die Institution erst seit 2005, vorher, bis 1961, wurde die Kunstsammlung der Stadt Städtische Galerie und ab 1961 Galerie der Stadt Stuttgart genannt.
1924: Casanovas Schenkung
Die ersten Ankäufe von Kunstwerken im Auftrag der Stadt datieren auf das Jahr 1913. Den Grundstock für die Sammlung legte 1924 eine Privatperson: In Erinnerung an glückliche Studienjahre vermachte der aus neapolitanischem Hochadel stammende Graf Silvio della Valle di Casanova der Stadt Stuttgart seine Gemäldesammlung. Seine Leidenschaft für Richard Wagner und deutsche Literatur hatten ihn 1883 an das Konservatorium nach Stuttgart geführt. Erst 13 Jahre später kehrte Casanova, inzwischen verheiratet mit der irischen Landschaftsmalerin Sophie Browne, nach Pallanza am Lago Maggiore zurück. Im Laufe seiner Stuttgarter Jahre hatte er eine umfangreiche Sammlung mit Werken des sogenannten Schwäbischen Impressionismus aufgebaut. Zeitlebens blieb Casanova Stuttgart und der Region verbunden, sodass sich dieser dazu entschloss, die Gemälde der Stadt zu überlassen.
1925 bis 1932:
Städtische Gemäldesammlung in der Villa Berg
Casanova verband mit der Schenkung seiner Sammlung den Wunsch, die Werke dauerhaft an einem öffentlichen Ort zu präsentieren. Am 28. Mai 1925 wurden 53 Gemälde im Beisein des Stifterpaares in der Villa Berg als »Städtische Gemäldesammlung« erstmals gezeigt. Die für den Kronprinzen Karl von Württemberg und seine Frau Olga Nikolajewna von Russland 1853 erbaute Villa bot aufgrund ihrer gehobenen Atmosphäre und exponierten Lage einen idealen Rahmen für die Kunstsammlung. Mit der öffentlichen Präsentation der Schenkung war ein Anfang gemacht für Stuttgarts Bestrebungen, seine kulturelle Bedeutung für die Region wie für die Weimarer Republik zu unterstreichen – »sich unter die Städte einzureihen, die der bildenden Kunst eigene Kulturstätten errichteten«, so Oberbürgermeister Karl Lautenschlager in seiner Eröffnungsrede.
Die Kommune stellte nun auch in der Folge jährlich einen Ankaufsetat für Kunst zur Verfügung. Die Sammlung wurde aber während dieser Zeit nur in kleinem Umfang erweitert; von einem systematischen Ausbau oder einer Weiterentwicklung konnte kaum die Rede sein. Die angekauften Werke dienten vorwiegend als Ämterschmuck in städtischen Einrichtungen. Die Weichen für die Entstehung eines städtischen Kunstmuseums in Stuttgart sollten erst im Dritten Reich durch die Kunst- und Kulturpolitik der Nationalsozialisten gestellt werden.
1933 bis 1945:
Das Museum im Nationalsozialismus
Die Nationalsozialisten in Stuttgart schenkten der Kunst und Kultur große Aufmerksamkeit, und so war ihre Kunst- und Kulturpolitik für die städtische Kunstsammlung Stuttgarts sehr folgenreich. Von 1933 bis 1945 kaufte die Stadt viele Kunstwerke vor allem regionaler Künstler:innen an, um ein städtisches Kunstmuseum zu schaffen, das Kunst sammelt, bewahrt und ausstellt. Mehrere private Kunstsammlungen wurden erworben, insbesondere in den Kriegsjahren investierte die Politik noch enorme Geldsummen. Der damalige Oberbürgermeister Karl Strölin zog 1943 nach zehn Jahren nationalsozialistischer Stadtverwaltung Bilanz: »Im Ganzen hat die Stadt Stuttgart seit dem Jahre 1933 allein für ihren Kunstbesitz Ankäufe im Werte von 1,1 Mio. Reichsmark getätigt. Mit diesen Ankäufen ist nunmehr ein wertvoller Grundstock für das künftige städtische Kunstmuseum gewonnen.« Zum Vergleich: In den acht Jahren der Weimarer Republik umfasste der städtische Etat für Kunstankäufe gerade mal circa 200.000 Reichsmark.
In der Stadtverwaltung wurde zudem erstmals ein Kultur- und Kunstreferat sowie eine Kunstkommission gegründet, die für Kunstankäufe und deren Inventarisierung zuständig waren. Gipfeln sollten die kunstpolitischen Aktivitäten der Nationalsozialisten in dem Bau eines Kunstmuseums.
»Es müsste das Ziel sein, von den in Stuttgart geborenen oder in Stuttgart tätig gewesenen Künstlern die besten Werke in kennzeichnender Auswahl zu erwerben und in galeriemäßig geordneten Kollektionen (Meistersälen) dem Publikum in einem dafür geeigneten Ausstellungbau dauernd darzubieten. […] Als Ziel ist an ein künftiges Städtisches Kunstmuseum gedacht, da die Räume der Villa Berg auch für die heute vorhandenen Bestände bereits zu klein sind. Eine gute Kunstsammlung will nicht auf Kanzleien verteilt bleiben, sie will zusammenwirkend der Bevölkerung edle Freude und Genuss spenden und unserem Künstlernachwuchs Anregungen geben.«
Fritz Cuhorst, 1942
Diese Pläne wurden nicht realisiert. Kriegsbedingt mussten 1942 die größten Sammlungsteile an als sicher geltende Orte evakuiert werden – zunächst nach Schloss Löwenstein, später kamen die Werke in die Salzbergwerke von Kochendorf und Heilbronn. 1944 brannte die Villa Berg aus, 1945 wurde Schloss Löwenstein vollständig zerstört, wodurch auch ein erheblicher Teil der eingelagerten Kunstsammlung vernichtet wurde.
1961 bis 2005:
Galerie der Stadt Stuttgart
Die im Faschismus geborene Museumsidee lebte in der Nachkriegszeit fort. Es fehlte aber nach der Zerstörung der Villa Berg im Zweiten Weltkrieg ein Ausstellungsort. Erst 1961 fand die Galerie der Stadt Stuttgart in Theodor Fischers wiederaufgebautem Kunstgebäude am Schlossplatz eine neue Bleibe, wo sie sich die Ausstellungsräume mit dem Württembergischen Kunstverein teilte. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg stand der Kunsterwerb aus der Region im Vordergrund. Eugen Keuerleber, der seit 1945 die städtische Kunstsammlung betreut hatte, setzte als erster Direktor (1961–1986) seine Schwerpunkte in der baden-württembergischen Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts. Er kaufte Werke von Adolf Hölzel sowie seines Kreises, zu dem Willi Baumeister, Oskar Schlemmer, Ida Kerkovius und Johannes Itten gehörten. Größte Anerkennung verdient Keuerlebers Engagement um die Werke von Otto Dix, die heute den zentralen Schwerpunkt der Sammlung ausmachen.
Keuerlebers Nachfolger Johann Karl Schmidt, der von 1986 bis 2003 im Amt war, konzentrierte sich auf Tendenzen der Malerei im Südwesten von den 1950er- bis 1980er-Jahren und ergänzte die Sammlung um bis heute wichtige Schwerpunkte, etwa der Neuen Figuration und dem Informel. Mit besonderer Intensität widmete er sich dem Schaffen von Dieter Roth, Joseph Kosuth und Wolfgang Laib. Darüber hinaus konnten unter Schmidt bedeutende Sammlungen als Dauerleihgaben gewonnen werden: 1992 die Sammlung Rudolf und Bertha Frank, 1994 die Konrad Knöpfel-Stiftung Fritz Winter.
Um die Sammlung zeitgenössischer Kunst ihrer Qualität und Quantität entsprechend präsentieren zu können, wurde 1999 ein Architekturwettbewerb für einen Museumsneubau ausgelobt, den das Berliner Architekturbüro Hascher+Jehle für sich entschied. Die Grundsteinlegung erfolgte am 12. Oktober 2002. Der von weitem sichtbare gläserne Würfel, dicht gelegen an der Königstraße, umschließt einen steinernen Kubus, der rund ein Fünftel der Ausstellungsflächen birgt. Der weitaus größere Teil der 5.000 m² befindet sich unterhalb des Kleinen Schlossplatzes in einem stillgelegten Autotunnel. Während die beiden Untergeschosse vornehmlich der Präsentation der Sammlung vorbehalten ist, werden im Kubus Wechselausstellungen gezeigt.
2005 bis heute:
Kunstmuseum Stuttgart
Mit dem Museumsneubau kam 2005 die städtische Kunstsammlung achtzig Jahre nach ihrer Gründung unter Direktorin Marion Ackermann schließlich im eigenen Haus an. Sie erhielt den Namen Kunstmuseum Stuttgart. Für die Realisierung des Neubaus hatte sich insbesondere der damalige Oberbürgermeister Wolfgang Schuster eingesetzt. Nicht nur dieses Engagement zeigt, welch hohen Stellenwert die Stadt Stuttgart der Kunst bis heute zuweist. Seit seiner Eröffnung beherbergt das Museum auch das Archiv Baumeister. Mit der Sammlung Teufel kam 2009 ein umfangreiches Konvolut an Werken konkreter Kunst in den Besitz des Hauses.
Seit 2010 steht das Kunstmuseum Stuttgart unter der Leitung von Ulrike Groos. Ihre Schwerpunkte liegen auf der Stärkung des Eigencharakters der Sammlung, auf dem Blick in die Zukunft mit Ausstellungen junger Künstler:innen, die im Kunstmuseum ihre erste museale Einzelausstellung erhalten, und auf der engen Zusammenarbeit mit Privatsammlern. Groos setzte zuletzt neue Akzente in der Sammlung mit Werken etwa von Michel Majerus und Tim Berresheim sowie dem Fokus auf Künstlerinnen wie Hanne Brenken, Katinka Bock, Gego und Josephine Meckseper. Kooperationen mit anderen Stuttgarter und baden-württembergischen Kultureinrichtungen werden beständig ausgebaut.
Als Außenstelle des Museums eröffnete 2013 das Museum Haus Dix in Gaienhofen-Hemmenhofen am Bodensee. Unter Groos wurden Projekte zur Provenienzforschung und Digitalisierung angestoßen.